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hier mein Beitrag zu einer längeren Szenedebatte Ende letzten Jahres zum Thema Israel und Palästina

Warum kommt über diese Liste ("schöner leben", mit ca 600 TeilnehmerInnen eine der größeren Göttinger mailinglists) eigentlich so wenig Analyse, die mal die spezifische Mischung sowohl der palästinensischen wie auch der israelischen Gesellschaft genauer darstellt und die Auseinandersetzungen dort nicht nur als grundlegend außenbestimmt definiert – was sie auch sind – sondern auch als Folge spezifischer Konstruktionsmerkmale der dortigen Gesellschaften, ihrer Entstehungen, und der Formen ihrer Selbstlegitimation? Die meist kurzen Verweise auf irgendwelche URLs hier wirken auf mich eigentlich immer eher wie „schau mal da, da läuft der Hase!“ Rufen aus dem sicheren Zimmer des Wissenden heraus. Mit „Logik“, „Charity“ und anderen Prinzipien, die der Auseinandersetzung auf dieser Liste zugrunde gelegt werden, werden die Schwierigkeiten für ein Verständnis für den Krieg dort unten nicht gerade behoben. Eindeutige Positionen wie die der israelischen Professoren zum Thema Kriegsrecht sind da schon weiterführender oder auch der Aufruf „Gegen jeden Krieg“ in der letzten Gödru. Beide bleiben aber "mono"- logisch.

Hier wird der Prozess insgesamt nicht genug als offener beschrieben. Wer berücksichtigt, das die Begrifflichkeiten, mit denen in dieser Debatte hantiert wird, die „unseres modernen Denkens“ sind und die realen Verhältnisse dort unten vermutlich nur wenig erfassen können? Auf jeden Fall benötigen wir mehrere Abstraktionsschritte um z.B. zu begreifen, was es heißt, in einer (hier: palästinensischen) Gesellschaft zu leben, in der das "freie" bürgerliche Individuum mit seiner Verinnerlichung des Gewaltverhältnisses nur sehr wenig ausgebildet ist, was es heißt, das der Mensch sich immer als Teil von irgendetwas definiert und in entsprechenden Abhängigkeiten lebt und das der vorwiegend traditionale Charakter des Organisationstyps dieser Gesellschaften auch andere Mystifikationen und diese stützende Machtstrukturen hervorbringt. - Auch ist es schwer, sich vorzustellen, in einem "aufgeklärten" Staat (Israel) zu leben, dessen herrschende Ideologie die Philosophie eines "expansiven" Überlebens ist, mit "friedlicher" Durchdringung der palästinensischen Gebiete durch Besiedlung und einem dahinter stehenden hierarchisierenden Verständnis von Kulturdifferenz!

Bei der ganzen Auseinandersetzung wird die Herausbildung von kritischen Öffentlichkeiten in Israel und Palästina zu wenig kommuniziert, wie die ALI richtig vermerkt. Und denen sollte unsere Solidarität gelten.

Auch über die Frage, wer dort von den von außen zugeschusterten Milliarden profitiert und welche Formen von Vergesellschaftung damit gefördert werden, wissen wir zu wenig.

Warum wird eigentlich gerade jetzt ein Konflikt in der Öffentlichkeit breitgetreten, anhand dessen wieder Bekenntnisse zum demokratischen Staat und zu humanistischen Werten gefordert sind? Könnte es sein, dass die allgemein krisenhafte Entwicklung schon in naher Zukunft noch ganz andere "Bekenntnisse" von uns fordert und wir für solche Auseinandersetzungen jetzt verstärkt sensibilisiert werden sollen? Ist die Annahme so fern liegend, das als Folge der Erneuerung der Akkumulationsregime des Kapitalismus sehr viel mehr Massenverarmung als bisher entstehen wird, die (auch daraus) entstehenden Regulationskrisen dann auch mithilfe weiterer kriegerischer Überfälle "gelöst" werden? Wer hat die Waffen, wer sind die Opfer?

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